Die im Rahmen der Klimakonferenzen vereinbarten Übereinkommen sind so gestaltet, dass Mechanismen wie REDD, Reducing Emissions of Deforestation and Forest Degradation oder CDM, Clean Development Mechanismus, (den es schon seit 1997 gibt, der vielleicht in ein Nachfolge-instrument übergeht) verschiedene Rahmen bilden, um auf unterschiedlichen technischen Wegen Kompensationsrechte zu erzeugen. Bei REDD z.B. geht es um das Einhegen von Wäldern mit hoher Biodiversität, um den Anbau von schnellwachsenden Monokulturplantagen oder auch um das Pflanzen gentechnisch veränderter Pflanzen und Bäume, im CDM geht es meist um die Errichtung von Anlagen.
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Empört über den zügellosen Landraub und Neokolonialismus von REDD haben Afrikaner*innen auf dem Weltsozialforum in Tunesien 2013 die historische Entscheidung getroffen, das No REDD in Africa Network zu gründen, um den Kontinent gegen den REDD-Angriff zu verteidigen.
Das No REDD in Africa Network warnt, dass REDD der ultimative Keil sein kann, mit dem die Tür für eine Invasion gentechnisch veränderter Nutzpflanzen und Bäume auf dem afrikanischen Kontinent geöffnet wird. Außerdem könnte es die falsche Vorstellung fördern, dass gentechnisch veränderte Pflanzen eine "klimafreundliche" Landwirtschaft ("Climate Smart Agriculture“) be-deuten. (Climate Smart Agriculture sieht vor, dass Bäuer*innen auf ihrem eigenen Land unter lokaler Kontrolle selber Verschmutzungsrechte erzeugen. Anm.sf). Böden, Wasser (blauer Kohlenstoff) und ganze Ökosysteme könnten dafür in Anspruch genommen werden. So könnte auch die Kultur der kolonialen Plantagenlandwirtschaft wieder aufleben, die auch als Cash Cropping' bezeichnet wird. In Afrika entwickelt sich REDD zu einer neuen Form des Kolonialismus, wirtschaftlicher Unterwerfung und Verarmung. [10]
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Im Rahmen des CDM (Clean Development Mechanism) hingegen werden z.B. Wasserkraftwerke gebaut, wobei deren niedrigerer CO2-Ausstoss im Vergleich zu einem angenommen höheren Ausstoß, der ohne den Bau dieses Wasserkraftwerkes angeblich erzeugt worden wäre, zu aus dieser Differenz berechneten Kompensationsgutschriften führt. So erklärt es die Biologin Jutta Kill, die seit Jahrzehnten zum Emissionshandel forscht in meinem Film „BRAND I Vom Eigentum von Land und Wäldern“:
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Und dieses Versprechen etwas nicht getan zu haben, keine Emissionen so in dem Maße verursacht zu haben wie es geplant war, wird transferiert in diesem neuen Markt in ein Recht, ein Eigentumsrecht, was ich als Käuferin erlange und was mir das Recht gibt, einen gesetzlichen oder einen moralischen Grenzwert hier zu überschreiten. Gutschrift, der Begriff sagt schon, ich habe etwas gut. Ich kann diese Gutschriften im Rahmen des Kyoto-Protokolls in Deutschland einlösen, wenn ich hier als Kraftwerksbetreiber oder als großer Industriebetrieb meinen Grenzwert an Emissionen, die mir zustehen, erreicht habe und dann kann ich mittels dieser Gutschriften, die ich erworben habe, mehr Emissionen freisetzen und gleichzeitig sagen, ich bewege mich aber immer noch innerhalb meines Grenzwertes, denn das, was darüber hinausgeht, habe ich anderer Stelle ausgleichen lassen. [11]
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In einer von tausenden Realitäten und für die Bevölkerung in der BRD unsichtbar, kann dann folgendes geschehen:
Für ein CDM-Projekt wird ein kohlenstoffarmes, auf traditionellem Wissen beruhendes Bewässerungssystem des Dorfes Sarona entlang des Bhilangana-Flusses im bergigen Uttaranchal in Indien zerstört:
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Das System nutzt poröse Felsdämme, um das Wasser sanft in kleine Kanäle zu leiten und gleichzeitig Schlamm durchzulassen. Das Wasser fließt dann in noch kleinere Kanäle, die terrassenförmig angelegte Reis und Weizenfelder versorgen, die dann das restliche Wasser wieder in den Fluss ableiten.[9]
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In dieser Region wird nun im Rahmen eines CDM-Projektes ein Laufwasserkraftwerk gebaut:
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Die SPEL (Swasti Power Engineering Ltd) erhielt die CDM-Zulassung Anfang 2007, um ein 22,5-MW-Laufwasserkraftwerk am Bhilangana-Fluss in Uttarakhand zu entwickeln. Das Unternehmen wird enorme Gewinne machen, da das Projekt registriert ist, um eine große Summe an Emissionsgutschriften zu generieren - 624000 CERs (Certified Emission Reduction) im Jahr 2012 und 1.093000 CERs im Jahr 2020, was in Geldwerten zwischen 8 und 15 Millionen Euro bedeutet.[12]
Nach einigen alarmierenden Hinweisen von NGOs in Delhi besuchten wir das Dammgebiet. Der Befund war erschreckend: Wütende Dorfbewohner beklagten sich über Schäden in mehr als 14 Dörfern. Sprengungen für den Bau des Tunnels, der das Wasser aus dem Bhilangana-Fluss zum Kraftwerk umleitet, hatten Risse in etwa 75 % der Häuser im Dorf Dewlang verursacht, darunter auch die Schule. Die Ausbrüche haben auch natürliche Wasserquellen verschoben, die jetzt trocken sind. Unverantwortliche Landbewegungen im Zusammenhang mit dem Bau des Projekts verursachen Erdrutsche, die Straßen und Wälder zerstören und das Ökosystem der Flüsse schwer beeinträchtigen, wenn der Schlamm in den Flussbetten landet. Der Staub aus dem Steinbrecher, der für das Baumaterial verwendet wird, hat die Felder, auf denen einst Reis geerntet wurde, unfruchtbar gemacht und provoziert Krankheiten bei den Futtertieren. [13]
Im März 2005 wurden 120 Dorfbewohner von Sarona Village verhaftet und für vier Tage ins Gefängnis gesteckt; 79 weitere, darunter Frauen, wurden im Juli 2005 verhaftet. Im November 2006 wurden mindestens 29 Menschen verhaftet und gezwungen, ein Dokument zu unterschreiben, dass sie ihren Widerstand aufgeben würden.
188 Staudammprojekte in verschiedenen Teilen Indiens haben mit Stand vom 29. Juni 2011 den CDM-Status beantragt. [12]
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In Uganda hat ein Kohlenstoffkredit-Baumpflanzungsprojekt im Mount-Elgon-Nationalpark, das die europäische Luftverschmutzung absorbieren soll, möglicherweise bis zu sechstausend Menschen, darunter das indigene Volk der Benet, gewaltsam vertrieben und Ernten und Häuser zerstört. Das Projekt beinhaltete den Vorschlag der niederländischen FACE Foundation und der Uganda Wildlife Authority (UWA), 25.000 Hektar Bäume zu pflanzen, um angeblich Emissionen aus dem Flugverkehr und einem 600-MW-Kohlekraftwerk in den Niederlanden zu kompensieren. Bis 2006 waren nur 8.500 Hektar gepflanzt worden. Trotz Versprechungen von Arbeitsplätzen wurden nur wenige Saisonarbeitsplätze geschaffen. Sowohl für den Nationalpark als auch für das Klimaschutzprojekt kam es zu Zwangsräumungen. Nach einer der Vertreibungen "wurden die Vertriebenen gezwungen, in Nachbardörfer zu ziehen, wo sie in Höhlen und Moscheen lebten." Einem Bericht einer lokalen Zeitung zufolge "töteten Parkranger im Jahr 2004 mehr als 50 Menschen."
Die lokalen Gemeinden haben unter Vertreibungen, Menschenrechtsverletzungen, Verlust von Land, Nahrung (einschließlich der traditionellen Speise Malewa (Bambussprossen), Einkom-men und Lebensunterhalt gelitten. Im Jahr 2002 erklärte der beauftragte Gutachter des Klimaschutzprojekts, die Société Générale de Surveillance Agrocontrol (SGS), dass für die Fortsetzung des Baumpflanzungsprojekts "mehr Menschen vertrieben werden müssen." Sie empfahlen sogar, dass "mehr Geschwindigkeit erforderlich sein könnte, um sicherzustellen, dass die Vertreibungen erfolgreich durchgeführt werden." Die Vertreibungen aus dem Nationalpark wurden fortgesetzt, während das Projekt vom Forest Stewardship Council zertifiziert wurde. Laut World Rainforest Movement wurden "Dorfbewohner ... geschlagen und beschossen, wurden von ihrem Land ausgeschlossen und mussten mit ansehen, wie ihr Vieh von bewaffneten Parkrangern, die die 'Kohlenstoffbäume' im Nationalpark bewachten, konfisziert wurde. Das 'Offset'-Projekt verkaufte Kohlenstoffgutschriften an Greenseat, eine niederländische Firma mit Kunden wie Amnesty International, dem British Council und dem Body Shop." [10]
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Recherchen des No REDD in Africa Network zeigen, dass das Kongobecken (Kamerun, Demokra-tische Republik Kongo, Kongo, Zentralafrikanische Republik), Uganda, Madagaskar, Kenia, Tansania und Mosambik einige der wichtigsten Frontlinien für REDD in Afrika sind.